Energieberatung: Kunden gewinnen statt Bußgelder bezahlen
veröffentlicht in der „Deutschen Handwerkszeitung“ (09/2019) und „Das Dachdecker Handwerk“ (13/2019)
Viele Handwerker scheuen Energieberatungen, dabei riskieren sie im Haftungsfall hohe Geldstrafen. Denn in der Energieeinsparverordnung (EnEV) steckt ein Haftungsrisiko.
Thomas Wüstefeld geht kein Risiko ein. Der Sanitär-Meister ist viel im Raum Stuttgart unterwegs. Vor allem Sanierungen mit Intofloor-Fußbodenheizungen im Bestand füllen das Auftragsbuch von SEH-Haustechnik. Doch mit jedem Auftrag, der in das Heizungssystem eines Altbaus eingreift, schwingt ein Haftungsrisiko mit.
Die Energieeinsparverordnung (EnEV) und das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) fordern von Bauherren entsprechende Maßnahmen, wie den hydraulischen Abgleich. Diesen müssen die Handwerker machen, wenn sie etwa eine neue Fußbodenheizung verlegen. Aber auch kleinere Arbeiten, wie der Austausch des Heizkessels, erfordert das energiesparende Einstellen der Pumpen.
Bis zu 50.000 Euro Bußgeld bei Fehlverhalten
Schlampern Bauherren diesbezüglich, müssen sie mit empfindlichen Bußgeldern rechnen. „Mit bis zu 50.000 Euro kann die zuständige Baubehörde bei Fehlverhalten bestrafen“, erklärt Steffen Wehinger. Damit diese Strafen nicht auf Wüstefeld und sein Team zurückfallen, holt der Unternehmer den Gebäude- und Energieberater Wehinger aus Schorndorf an Bord.
Der gelernte Zimmerer ist geprüfter Dekra-Bausachverständiger, berechnet für Wüstefeld den hydraulischen Abgleich und sorgt auf der Baustelle dafür, dass die Heizung richtig eingestellt wird. „Das spart Bauherren bis zu 15 Prozent Energie“, verdeutlicht Wüstefeld. Gleichzeitig liefert es dem Installateur Rechtssicherheit.
Und die sei nicht zu unterschätzen, meint Bernhard Beck vom baden-württembergischen Landesverband Holzbau. Regelmäßig fragen Dachdecker und Zimmerer bei ihm an und lassen sich vom Juristen Tipps geben. Die Probleme ähneln sich: Eine EnEV-konforme Dachsanierung würde bei einem Einfamilienhaus um die 50.000 Euro kosten. Ein 75-jähriger Bauherr will aber die günstigere Alternative. Einmal neu eindecken für 10.000 Euro. Kommt es hier zur Klage, würde vermutlich jeder Richter dem Rentner glauben, der versichert, von den Gesetzen zur Energieeinsparung noch nie gehört zu haben.
Absichern durch Bedenkenanmeldung
„Damit geht die Haftung auf den Handwerker über“, erklärt Berater Wehinger, der noch andere Fälle kennt: Der neue Eigentümer einer Wohnimmobilie verklagt den Fensterbauer, der zwei Jahre zuvor kein Lüftungskonzept erstellt hat. Denn das war dem vorigen Eigentümer zu teuer. Für die Schimmelschäden in Bad und Küche soll der Handwerker aufkommen. „Absichern können sich die Betriebe durch eine Bedenkenanmeldung„, sagt Jurist Beck. Mit dieser weisen sie Bauherrn darauf hin, dass eine „unfertige Leistung“ vorliegt. Die Haftung bleibt dann beim Auftraggeber.
Für Installateur Wüstefeld ist das allerdings keine Alternative. Trotz Vollauslastung des 40-Mitarbeiter großen Betriebs will er sich über EnEV-Beratungen von der Konkurrenz abheben. Zusammen mit Wehinger hat er im vorigen Jahr mehr als 70 Berechnungen erstellt und seine Kundschaft zu echten Energiesparern gemacht. Diskutieren muss er ab und zu über das Honorar. „Doch wenn die Leute hören, dass sie über Energieberatungen KfW-Gelder beziehen können, überzeugt das die meisten“, so der Handwerker.
Voraussetzung ist Förderfähigkeit
Wehinger weist zudem darauf hin: „Wer KfW-Mittel beantragt, obwohl er weiß, dass die Modernisierung nicht förderfähig ist, muss mit einer Klage rechnen.“ Haben Bauherren mit dem Geld bereits Handwerkerrechnungen bezahlt, ist das Betrug und hat obendrein strafrechtliche Konsequenzen, so der Energieberater. Im schlechtesten Fall ist hier der ausführende Betrieb mit im Boot.
Hinzu kommt: Seit der Novellierung der Energie-Verordnung in 2012 gehen Ämter restriktiver gegen Verstöße vor. Manchmal reicht ein Hinweis eines nicht zum Zug gekommenen Wettbewerbers und Verfahren werden eingeleitet, hat Wehinger beobachtet. Wie wichtig ein beschränktes Haftungsrisiko ist, darauf verweist der Bundesverband für Wohnungslüftung: Die Rechtsprechung hat sich verschärft. Bewohnern ist häufiges Lüften nicht mehr zuzumuten.
„Fensterbauer oder Zimmerer, die keine individuellen Lüftungskonzepte berechnen und liefern können, droht damit schneller ein Rechtsstreit als noch vor Jahren“, erklärt Wehinger. Auch das neue Bauvertragsrecht, das seit einem Jahr gilt, räumt Bauherren mehr Rechte ein. Betriebe müssen seither Unterlagen übergeben, die belegen, dass öffentlich-rechtliche Vorschriften eingehalten werden. Dazu zählen auch EnEV-Nachweise, die Bauherren von einem Sachverständigen prüfen lassen können.